Käthe-Kollwitz-Straße 13
04109 Leipzig
Donnerstag, 15—20 Uhr
Freitag, 12–17 Uhr
16.11. – 20.12.2024
Für Nora Lubes erste Soloshow in unserer Galerie erforscht die interdisziplinäre Künstlerin die Geschichten, die wir den Objekten unseres Alltags — diesen heutzutage oft kurzweiligen Begleiterinnen — einschreiben. Während weiterhin die, für Lube typischen industriellen Objekte erscheinen, werden diese nun ergänzt von “Natur”-Objekten wie Ästen und (imitierten) Marmor. Lubes frühere Arbeiten zeugten von einem scharfen Auge für Konflikte der Postmoderne, etwa den Wandel der Beziehung zwischen Industrie und Handwerk oder die Stellung der Arbeiter_Innen im spätkapitalistischen System. Derweil bildeten Ahnungen des Horrors der Klimakatastrophe die ummantelnde Peripherie. Die Künstlerin evozierte geschickt unsere persönlichen Geschichten, Erinnerungen und Suche nach Schutz, wie Lube es selber ausdrückte: “Was mal da war und nun nur noch erahnt werden kann.”
In Holding on to a rope of sand treffen wir die Künstlerin nun inmitten eines formalen Entwicklungsprozesses, dessen Spuren bereits in ihren früheren Arbeiten enthalten waren, hier aber mit gereifter Verspieltheit und doch reflektiert wie eh und je zu Tage treten. Lubes Spiel mit der Täuschung dient jetzt einer neuen formalen Position. Mitgeprägt durch ihre Ausbildung zur Schneiderin und ein Studium als Modedesignerin legt sie ihren Fokus mehr auf den Akt der Umhüllungen, auf die Erzählungen der Oberflächen und die textilen Materialien selbst. Dies war schon immer präsent, doch ließ es die Objekte bisher auf etwas außerhalb ihrer selbst deuten, während sie nun die Maskerade direkt betonen. Und während beispielsweise Lubes Sprünge in erste hängbare Wandarbeiten von einer lustvollen Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Ausdruck zeugen, so bewirkt diese Verlagerung ebenso, dass die Wandelbarkeit ihrer Objekte in Holding on to a rope of sand begonnen hat auf sich selbst aufmerksam zu machen. Die ewige Wandelbarkeit der Formen erscheint jetzt als der zentrale Punkt. Ob dies eine Lube zeigt, die vielleicht ein paar mehr surrealistischen Ideen nachgegeben hat, eine Parallele zu den Weltgeschehnissen darstellen könnte, oder doch was ganz anderes — Dies lässt das neue Werk offen. Und doch bleibt das, bei der Künstlerin schon immer vorherrschende Motiv von Schutz und Sicherheit weiterhin präsent: Von den Anschnallgurten, bis hin zu dem falschen Marmormantel des Kranhakens. Die verstärkte Hervorstellung der eigenen Illusionen verleiht der täuschenden Sicherheit der Objekte jedoch eine neue Dimension: Ihre Unmöglichkeit.
Lubes Werke spiegeln diese Illusion von Sicherheit wider — ein vermeintlicher Schutz, der in Wahrheit zerbrechlich und unstet ist. Insofern sieht sich Nora Lube in Holding on to a rope of sand der Einsicht gegenüber, dass kein Zustand von Sicherheit mehr existieren kann — sollte dieser überhaupt jemals möglich gewesen sein — sondern stets nur ein situatives, instinktives Gefühl von Geborgenheit, das all zu oft dazu neigt über diese inhärente Flüchtigkeit hinwegzutäuschen.Text: Fredi Thiele