Nina Mielcarczyk

JULIUS BOBKE,
„Fuck it up“, 2024

Julius Bobke, geb. 1992, führt in seiner zweiten Einzelausstellung mit der Galerie Nina Mielcarczyk etwas fort, was die letzte Show in der Galerie see you at thet op begonnen hatte. In fuck it up präsentiert Bobke eine neue Auswahl an Werken, die einen gewaltigen, künstlerischen Sprung seitdem erkennen lassen. Wo zuvor oft eine mit Ironie, Meme-Drucken und online-Insidern gespickte Zeichen- sprache vorherrschte, stellt Bobke nun Counter Strike mit Rothko gleich und bewegt sich vom Druck weiter in Richtung des Malerischen und eröffnet dadurch eine eindeutige Vieldeutigkeit der Werke, die zuvor bei Zeiten der Pointe weichen musste.

Diese Verschiebung des Fokus von der konkreten Oberfläche in die Tiefe lässt sich nicht nur an der Kette erkennen, die den amphibolen Titel der Ausstellung stiftet, sondern erscheint fraktal für eine fortführende Entwicklung Bobkes aus dem Minimalistischen in eine mehr post-modern anmutende Position. Insbesondere in Arbeiten wie “play me like your fool” nutzt Bobke das Großformat voll aus um mehrere Techniken verschiedener Einund Überschreibungsprozesse zu vermischen. Es finden sich zusammengenähte alte, noch minimalis- tisch bemalte Gemälde(-stücke) als wiederverwendete Leinwand. Diese wird überdruckt, -malt, und -beknetet, in einer Weise, sodass sich schwer Anfänge oder Enden zwischen den Schichten feststellen lassen, zusammengesetzt aus unzugehörigen Gliedmaßen, Symbolspuren, durchdrückenden Umgebungen. Dieses Geheimnisvolle, Unergründbare durchzieht die Werke in fuck it up, sie fungieren als “Denkmäler, dass die Dinge nicht sind, was sie zu sein scheinen” (Fawcett).

So bricht das alte, übermalte Gemälde selbst immer wieder nur zwischen den prägnanten schwarz-weißen Balken (die an Gefägniskluft erinnern) des neuen hervor, bewegt sich an fremden Linien weiter, speist seine vergangene Temporalität in die Gesamtkomposition, verbindet sich und wird verbunden; die Konstruktion des Kunstwerks wirkt als Maschine, die statische Lockerheiten in ihren internen Symmetrien produziert, ohne je zu einem Abschluß — einer Funktion — zu verkommen. Bobkes Geschichte durchkreuzendes, gleitendes Denken lässt sich in der Vermischung der gewählten Formen und Bilder beobachten, vergleichbar mit dem persönlichen Touch des Samplings — die Figuren-konstellationen transplantierter Körpergemenge vielleicht einem mittelalterlichen Kupferstich entnommen, woanders eine, die an La Haine erinnert, dann das allgegenwärtige Recycling/Remixen seiner alten minimalistischen Tendenzen (back in the day, als seine Ausstellungen noch FFFFF hießen) und abschließend eine Prise disney-infused Polke-Alchemie für den guten Willen. Dieses Denken ist wohl auch, was dafür sorgt, dass die Arbeiten dennoch in persönlicher, distinktiver Form zusammenkommen, sich also von dem eklektischen Opportunismus des Post-Modernen abgrenzen, insofern Bobkes Prozess schlichtweg der

Gesamtheit des Kontext seines Persönlichen ganz geöffnet ist. Diese angeborene Ungereimtheit, die Liebe zum Geheimnis unter den verspielten Oberflächen, wohnt fuck it up inne, findet Frucht- barkeit im Persönlichen, im Gemeinsamen wie der Geschichte und Bobke schafft in ihrer Schichtung eine Reichhaltigkeit neuer Daseinsformen dieser Dinge.

[Text: Fredi Thiele]

Installation view: JULIUS BOBKE – fuck it up, 2024, Nina Mielcarczyk, Leipzig